Die Geschichte der alten Schule in Hummersen
Mit Hilfe des Hausforschers und Volkskundlers Dr. Heinrich Stiewe aus Blomberg ist es uns gelungen, die Geschichte des Hauses wenigstens teilweise ans Licht zu bringen.
Recht früh nach Beginn der Sanierungsarbeiten wurden wir dank eines Zeitungsartikels in der Lippischen Landeszeitung über unser Vorhaben, das alte Gebäude wieder zum Leben zu erwecken, per E-Mail darauf aufmerksam gemacht, dass im Landesarchiv Detmold eine Bauakte liegt, die wir einsehen könnten. Wir sind dem Mitarbeiter heute noch dankbar. Wer weiß, ob wir ohne den Hinweis überhaupt auf die Idee gekommen wären, in dieser Richtung nachzuforschen. Ich habe die komplette Akte fotokopieren lassen. Dr. Stiewe war dann freundlicherweise bereit, uns bei der „Übersetzung“ zu helfen.
Heinrich Overbeck, Landvermesser aus Lemgo
Der in den Akten erhaltene Entwurf samt Kostenvoranschlag des Geometers (Landvermesser) Heinrich Overbeck aus Lemgo stammt vom 19. Februar 1821. Außer dem Riss zum Neubau fand sich in der Akte auch eine Skizze des alten Schulhauses, das demnach ein niederdeutsches Hallenhaus mit Mitteldiele war. Die recht kleine Schulstube lag neben der Küche in der hinteren Hausecke. Dieses Gebäude wurde von Overbeck als unzureichend und wegen seiner „unbequemen Einrichtung“ als „wohl eines der beschränktesten die es giebt“ beurteilt. Overbeck empfahl einen Neubau und den Verkauf des alten Gebäudes an den Meistbietenden. Der Hummerser Vorsteher Kuckuck, der Richter Schmidmeyer und der Lehrer Althof schlossen sich dem Vorschlag an. Das alte Schulhaus blieb in mehrfach umgebauter Form nach Aussagen von ortsansässigen Bürgern in der Nachbarschaft erhalten. Wir können es vom Giebelfenster das ehemaligen Heubodens sehen.
Traufenbau, Mittelflur und Krüppelwalmdach
Der Entwurf von 1821 zeigt einen eingeschossigen Traufenbau mit Mittelflur und Krüppelwalmdach. Die Schulstube ist darin in der linken vorderen Haushälfte angeordnet. Dahinter befand sich ein zur „Industrieschule“ umnutzbarer Raum. Als „Industrieunterricht,“ wurde im frühen 19. Jahrh. ein berufsbezogener Werkunterricht im Spinnen und anderen praktischen Tätigkeiten bezeichnet. Diese Art von Unterricht wurde von Fürstin Pauline eingeführt.
Die Lehrerwohnung mit Wohnstube, Schlafkammer und weiteren Kammern war in der rechten Haushälfte vorgesehen. Im Dachgeschoss waren drei zusätzliche Kammern geplant. Am Ende des Flures lag die Küche der Lehrerwohnung mit einem gemauerten Herd mit Schornstein und Rauchfang, sowie einem angebauten Backofen an der Gebäuderückseite. Durch den Hinterausgang kam man zu einem angebauten Stallteil für eine Kuh und ein Schwein, sowie zu einem Abort. Ein kleiner Hühnerstall lag außerhalb im Garten.
Der Schulhausneubau sollte lt. Kostenvorschanschlag 1.217 Taler und 5 Groschen kosten. Abzgl. geschätzer 250 Taler für den Verkauf des alten Schulhauses und 200 Taler für Eigenleistung der „Schulinteressenten“. Trotz sofortiger Genehmigung des Konsortiums der damals für das Schulwesen zuständigen Kirchenbehörde am 13. April 1821 Zusage des Fürsten Leopold II. für die Bereitstellung von mehreren Eichen aus dem Falkenhagener Forst verzögerte sich der Baubeginn wegen Schwierigkeiten beim Grundstückserwerb und der Baumaterialienbeschaffung um ca. 1 Jahr. Der Neubau wurde am 5. Juni 1822 an den Schreinermeister Gröne aus Sabbenhausen als Mindestbietenden vergeben. Einziger Mitbietender war Papemeyer aus Hummersen. Am 16. Juni berichteten die Hummerser, dass sie „mit vieler Anstrengung (…)“ es dahin gebracht hätten, „daß unser Schulhaus mit dem Dache und der Grundmauer dasteht.“ Es wurde eine Beihilfe für den Innenausbau und zusätzliches Bauholz gestellt und schließlich auch genehmigt. Im Frühjahr 1824 wurde das Gebäude fertig gestellt und abgeechnet. Am 24. Mai 1824 erklärte Overbeck die Mehrkosten damit, dass die Hummerser eigenmächtige Planänderungen vorgenommen hätten. So sollte die Haustüre nach dem Plan Overbecks mittig liegen, ist aber letztlich mehr zur rechten Seite angelegt worden. Dadurch musste ein zusätzlicher Ständer eingebaut werden. Dadurch ist auch belegt, dass die heute noch sichtbare unsymmetrische Anlage der Haustüre nicht durch spätere Umbauten entstanden ist. Ob die heutige Situation mit den zwei Haustüren, von denen die linke in die Schulstube und die rechte in die Lehrerwohnung führte, schon damals vorgesehen war, kann trotzdem nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Backhaus und Backofen, Werkstatt und Stall
Der Wirtschaftsteil an der Gebäuderückseite wurde 1902 überbaut und damit gleichzeitig vergrößert. Wo früher der Stall war, steht jetzt ein Holzvergaser mit den dazugehörigen Wasserspeichern.
Erhalten ist auch ein Backkaus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrh. , das rechts vor dem Schulhaus steht. Leider ohne den dazugehörigen Backofen, der lt. Aussagen von Hummerser Bürgern etwa um den Beginn des 2. Weltkrieg abgerissen wurde. Statt dessen wurde das kleine Gebäude um 2 Gefache verlängert. Sehen kann man das heute noch innen und außen. Zum Anbau wurde Fichte statt Eiche verwendet und der Querschnitt der Hölzer ist wesentlich schmaler. Innen sind die alten Kopfbänder Zeichen ihrer Zeit und der ehemalige hintere Hahnenbalken ist rußgeschärzt. Das ehemalige Backhaus haben wir Anfang 2012 komplett sanieren lassen. Es fehlt nur noch ein kleiner gemauerter Backofen im Innern.
1933 sollte der Fußboden in der Schulstube wegen „Trockenfäule“ erneuert werden. Dabei wurden die vorhandenen 40 cm breiten Eichendielen einfach mit einem neuen Boden aus schmalen Fichtenbrettern belegt, anstatt den gesamten alten Boden herauszunehmen. Das hatte zur Folge, dass wir bei den Sanierungsarbeiten auch die Fußbodenlager komplett erneuern mussten, aber auch einen Teil des alten Eichenbodens zumindest im Garten verbauen konnten. Einzelne Bretter sind noch immer vorhanden.
In den letzten Kriegsjahren wurden auch hier Zwangseinweisungen von Bürgern aus zerbombten Gegenden vorgenommen. Im Obergeschoss wohnten 2 Familien in jeweils einem Zimmer (heutiges Büro und Gästezimmer) und eine alleinstehende Frau in einer kleinen Abseite (heute Gästebad). Nach Kriegsende eroberten Amerikaner das Dorf von Polle aus kommend. Es muss ein Kampf stattgefunden haben, wir fanden Einschüsse in den Wänden mit darin steckenden Kugeln und alte Munition, die wir selbstverständlich fachgerecht entsorgen ließen.
Irgendwann in den 1950iger Jahren wurde im Obergeschoss ein Ständer und 4 Kopfbänder einfach entfernt. Das hatte zur Folge, dass sich der vordere Teil des Hauses aus der Flucht drehte. Das konnten wir durch den Wiedereinbau der fehlenden Kopfbänder zumindest aufhalten.
Der letzte Lehrer, ein Herr Seiger, war bis zur Aufgabe des Schulhauses 1956 hier mit Frau und 2 Töchtern untergebracht. Eine der Töchter lebt heute im Ausland und hat uns vor ein paar Jahren besucht.
1957 wurde das Haus an einen Hummerser Bürger verkauft, der daraufhin mit seiner Familie einzog.
Neunutzung nach Leerstand, Baudenkmal
Im Sommer 2005 sollte das Haus verkauft werden. Voraus ging die Aufnahme ins Denkmalverzeichnis NRW wegen der „Ortsbild prägenden Bauweise“ des Hauses und der geschichtlichen Bedeutung für den Ort. Die letzte Besitzerin war schon 4 Jahre zuvor verstorben und lebte seit dem Tod ihres Mannes alleine im Haus, ohne jeglichen modernen Komfort. So fanden wir die Gebäude in einem noch ziemlichen ursprünglichen Zustand vor. Schnell war klar, dass wir das Haus kaufen, sanieren und darin leben wollten. Wieviel Arbeit das tatsächlich bedeutete, darüber machten wir uns wenig Gedanken. Obwohl wir beide schon deutlich über 50 Jahre alt waren, trauten wir uns das Vorhaben zu.
Abenteuer Haussanierung
Am 10. Oktober 2005 begann das Abenteuer. Die eigentliche Sanierung dauerte bis Dezember 2006. Aber fertig waren wir noch lange nicht. Trotzdem verlegten wir aus steuerlichen Gründen den Hauptwohnsitz an diese Adresse, blieben aber noch im ehemaligen Forsthaus, etwa 100 Meter von hier. Wegen der Orkanwarnung zu Orkan Kyrill Anfang Januar 2007 zogen wir auf die Baustelle. Wir hatten beide die Wucht von Orkan Lothar in unserer ehemaligen Heimat Stuttgart/Rems Murr Kreis Ende 1999 miterlebt und wollten für den Fall des Falles wenigstens im Haus sein um ggf. Hilfe zu organisieren. Die Dächer waren neu und zwei hohe Bäume direkt am Haus machten uns große Sorgen. Unbegründet war die Sorge nicht, aber das Schicksal suchte sich die dicke Linde am Teich nebenan aus. Der Baum brach in etwa 1m Höhe ab und fiel zum Glück aller direkter Nachbarn quer auf die Straße. Der Orkan war so laut, dass wir nur durch Zufall die heulenden Kreissägen der Feuerwehrleute hörten. Wir hätten von einem etwaigen Schaden an unserem Kleinod in dieser Nacht nichts mitbekommen, wenn wir im Forsthaus geblieben wären.
Baustellenleben in der Alten Schule
Die ersten Jahre lebten wir mehr oder weniger im Baustellenchaos. Aber auch kleine Schritte führen irgendwann zum Ziel. 2014, 9 Jahre nach Beginn, war das Schmuckstück bis auf ein paar Kleinigkeiten fertig. Teilweise warten kleine Ecken noch immer auf die endgültige Fertigstellung. Vor allem unser Backhaus, das bautechnisch fertig saniert ist, wartet noch immer auf den Backofen und den kleinen Räucherofen. Und auf den Außenputz, wobei die Südseite absichtlich unverputzt bleibt, um den Lehmwespen einen Brutplatz zu bieten. Vor der Fassade steht auf ganzer Länge das Tomatendach und dadurch bekommt die Wand keine Feuchtigkeit ab.
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